Die böse Blüte der Jugend – Rezension zum Roman „Drachenglut“

Unter dem Wirrim, einem alten Hügel in der englischen Provinz, schläft der Drache. Uralt, abgrundtief böse und inaktiv. Nur sein Verstand ist eine lodernde Flamme, mit der er gelegentlich an die Oberfläche, die Welt der Menschen, reicht. Eines Tages wird der Junge Michael von einem dieser Gedanken erfasst und verändert. Verwirrt nach Hause stolpernd, merkt er schon bald, dass er jetzt eine besondere Gabe besitzt: Er kann in die Seelen der Menschen hinein sehen! Sein Bruder Stephen ist skeptisch, doch als Michael ihn auf den Wirrim führt, bekommt auch er eine Kostprobe dieser fantastischen Gabe.

Gleichzeitig wird neben der alten Dorfkirche in der Nähe des Wirrim ein uraltes Kreuz gefunden, auf dem ein Lindwurm zu sehen ist. Kurz darauf wird ein Stück dieses Kreuzes gestohlen. Michael und Stephen merken schon bald: Es gibt noch andere, die die gleiche Gabe haben wie sie – und noch mehr! Doch sie sind den beiden Jungen ganz und gar nicht freundlich gesonnen und beginnen, die Brüder zu verfolgen. Und die Korruption, die ihren Verfolgern zueigen ist, beginnt auch langsam, von Michael Besitz zu ergreifen …

Jugendliche denken gerne, sie seien unbesiegbar. Im Aufblühen ihrer Sexualität und ihrer ganzen körperlichen Kraft meinen junge Männer häufig, sie könnten es mit der ganzen Welt aufnehmen, ohne Rücksicht auf Verluste. Dies ist im Kern genau das Thema, was Jonathan Strouds Roman Drachenglut in hintersinniger Form aufgreift. Zwei unschuldige Jungen im dafür genau richtigen Alter werden mit außergewöhnlichen Fähigkeiten ausgestattet, die anfangs noch Euphorie in ihnen auslösen, den einen jedoch bereits nach kurzer Zeit zu korrumpieren beginnen. Oberflächlich ist Drachenglut ein spannender Mysterythriller für Jugendliche, aber wenn man ein bisschen gräbt, erkennt man eine clever verpackte christliche Symbolik. Der Drache steht hier ganz klassisch für das Böse, ist lange Zeit eine substanzlose Kraft, die die Menschen korrumpiert und ihre Seelen verdirbt. Klassische Drachentötermythen und Märchenelemente finden ebenfalls ihren Weg in Strouds Roman. Ob es nun wirklich dessen Absicht war, das Aufblühen der Jugend mit dem Erwachen bösartiger Kräfte gleichzusetzen, sei mal dahin gestellt.

Denn so tief muss man gar nicht gehen, um an Drachenglut Gefallen zu finden. Stroud nimmt sein jugendliches Publikum sehr ernst und verwendet einen sehr erwachsenen Stil – der Roman liest sich eigentlich nicht großartig anders als ein Mysterythriller für Ältere, wobei Horrorelemente natürlich eher in den Hintergrund treten. Dennoch scheint in Drachenglut nicht häufig die Sonne, ist das Buch von vorne bis hinten außerordentlich düster geraten und endet nicht ganz so blumig, wie man das von einem Jugendroman vielleicht erwarten würde. Recht bald ist die Jagd auf die Hauptfiguren eröffnet, beginnt die Korruption von Michael Besitz zu ergreifen, gibt es stets nur wenig Hoffnung. Gefallen wird man mit diesem Buch wohl erst ab einem Alter von vierzehn Jahren finden, dann offenbart sich in Drachenglut jedoch ein recht spannender, temporeicher Roman, den man locker in zwei oder drei Sitzungen durchlesen kann. Drachenfans werden dafür eher enttäuscht sein – der titelgebende Feuerspeier ist mehr eine symbolische Randfigur als ein aktiv agierender Charakter.

Fazit: Ein spannendes, gut geschriebenes, düsteres Buch für Jugendliche, das jedoch auch Erwachsene ansprechen dürfte.

© Doc, Quelle

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