Aschenhans und der Urlindwurm (Sigrid Früh)
Es lebte einmal ein Bauer auf Leegarth, der hatte sieben Söhne und eine Tochter. Der jüngste Sohn aber wurde nur der Aschenhans genannt. Den ganzen Tag ging er in abgerissenen Kleidern und reit ungekämmtem Haar umher, aus dem jeder Windstoß eine Aschenwolke blies. Sogar nachts schlief er in der Asche. Aschenhans n-iußte tagein, tagaus den Boden fegen, Torf für das Feuer holen und alle niedrigen Arbeiten verrichten. Von seinen Brüdern erhielt er oft Schläge und böse Worte, sie verlachten und verspotteten ihn. Nur seine Schwester hatte ihn von Herzen lieb. Sie lauschte gerne den Geschichten von Helden, Riesen und Trollen, die er so gut wie kein anderer zu erzählen wußte. Eines Tages geschah es, daß des Königs Boten zu dem Bauern kamen und ihre sagten, er solle seine Töchter an des Königs Hof senden, auf daß sie dessen einziger Tochter als Magd und Gefährtin diene. So wurden dem Mädchen die besten Kleider angelegt, und dann ritt sie mit den Boten fort. Von da an sprach Aschenhans kaum mehr ein Wort, und er ließ traurig den Kopf hängen. Als eine Zeit vergangen war, breitete sich unheilvolle Kunde im Lande aus, Es hieß, der große Lindwurm nähere sich der Küste. Diese Nachricht ließ selbst die Kühnsten unruhig werden. Wahrhaftig reckte das Untier schon sein Haupt gegen das Ufer, riß seinen greulichen Rachen auf und gähnte schrecklich. Als der Lindwurm das Maul wieder schloß, da erbebte die Erde. Dies tat er, um zu zeigen, er werde das Land vernichten, wenn man ihm nichts zu fressen gäbe.
Dieser Lindwurm war der größte und erste, der Vater von allen Übrigen, deshalb hieß er der Urlindwurm. Er konnte mit seinem giftigen Atem jede lebende Kreatur, die er anhauchte, töten und alles, was wuchs und grünte, verdorren lassen, Furcht befiel jedes Herz, und Klagen erhoben sich im ganzen Land.
Drei Tage lang berieten der König und das Thing, was in dieser grollen Not zu tun sei. Keiner aber wußte einen Weg dem Untier ZU entkommen. Nun gab es in dein Königreich einen mälchtigen Zauberer, von dem die Leute sagten, daß er um alle Dingo wisse. Der König allein hielt ihn für einen hinterlistigen Ränkeschmied und mißtraute ihm aus ganzer Seele,
Als das Thing nun Weder ein noch aus wußte, trat auf einmal die Königin in die Versammlung.
Sie war herrschsüchtig, kalt und böse, und sie sprach. Ihr seid alle tapfere Männer und kühne Krieger, solange ihr nur sterblichen Gegnern gegenübersteht. jetzt aber steht ein Feind vor euch, der eurer Kraft spottet, denn vor ihm sind eure Waffen wie Stroh. Nicht durch Schwert und Speer kann dieses Ungeheuer überwunden werden, sondern nur durch Zaubermittel. Ihr solltet euch Rat holen bei denn großen Zauberer, der von allen diesen Dingen weiß. Denn Klugheit siegt, wo Kraft und Stärke versagen.“
Also wurde der Zauberer gerufen. Er sah häßlich aus wie ein Gespenst, und sein Anblick war furchterregend. Ernst sei die Frage, und schwierig sei sie zu beantworten, sagte er zu den Männern des Things, doch werde er am folgenden Tage bei Sonnenaufgang seinen Rat mitteilen.
Am nächsten Morgen gab der Zauberer bekannt, es gäbe nur einen einzigen Weg, den großen Lindwurm zufriedenzustellen und das Land zu retten. Es müßten ihm einmal in der Woche sieben Jungfrauen zum fraß vorgeworfen werden. Wenn dieses Mittel nicht ausreiche, dann bliebe nur
noch ein weiteres, das aber sei so furchtbar, da es gar nicht ausgesprochen werden dürfe, es sei denn, das andere versage.
So sprach der Zauberer, und sein Rat wurde angenommen und als Gesetz, verkündet. Jeden Samstag wurden sieben Mädchen gebunden auf einen Felsen gelegt, und das Untier streckte seine Lange Zunge heraus und schlang sie alle in seinen furchtbaren Rachen. Eines Samstags stiegen die Leute von Leegarth auf einen Hügel, und sie sahen, wie der große Lindwurm sieben
Jungfrauen mit flaut und Haaren auffraß. Da weinten die Frauen, und die Gesichter der Männer wurden grau. Während alle jammerten und klagten, ob es denn keine andere Rettung für das Land gäbe, erhob sich Aschenhans und sprach: „Ich bin bereit, mit dem Drachen zu kämpfen, denn ich fürchte den Tod nicht.“ Da gab ihm sein ältester Bruder einen schrecklichen Hieb und befahl ihm, sich nach Hause zu scheren in sein Aschenloch. Aschenhans aber wiederholte seine Worte. Darüber gerieten die Brüder in so großen Zorn, daß sie mit Steinen nach ihm warfen, bis er davonlief. Zur Nachtzeit bekamen sie ihn in der Scheune zu fassen und hätten ihn im Stroh erstickt, wenn nicht der Vater zu Hilfe gekommen wäre.
Aschenhans aber sprach: „Du hättest mir nicht helfen müssen, Vater, denn mit Leichtigkeit hätte ich mich meiner Brüder erwehren können, wenn ich es nur gewollt hätte.“
Da lachten sie alle und fragten voller Hohn. „Und warum hast du es dann nicht versucht?“
„Weil ich all meine Kraft für den Kampf mit dem Urlindwurm aufsparen will“, antwortete Aschenhans. Darauf hielten sie sich vor Lachen den Bauch, und der Mater sagte: „Du wirst mit dem großen Lindwurm kämpfen, wenn ich Löffel aus den Hörern des Mondes mache!
Überall aber im Land erhob sich große Trauer und Wehklagen über den Tod so vieler Jungfrauen. Die Leute sagten, es werde bald keine Frau mehr sein, um Kinder zu gebären.
Also wurde wiederum das Thing einberufen, und die Männer riefen nach dem Zauberer und begehrten auch, das zweite Mittel zu erfahren. Der Zauberer reckte seine häßliche Gestalt. Der Bart hing ihm bis zu den Knien, und sein Haar war wie ein Mantel um ihn. Und er sprach: „Mit der größten Trauer spreche ich es aus, es gibt nur ein einziges Heilmittel. Oh, daß ich nie geboren wäre oder doch nicht so lange gelebt hätte, um den Tag zu sehen, an dem ich hier stehe, dieses Heilmittel zu verkünden. Des Königs ein zige Tochter Gemdelovely muß dem Lindwurm geopfert werden. Dann erst wird das Ungeheuer unser Land verlassen.“
Lange Zeit schwiegen alle Versammelten. Endlich erhob sich der König kummervoll, doch groß und aufrecht, und er sprach: „Gemdelovel ist mein einziges Kind. Sie ist das Liebste, was ich auf Erden habe. Sie sollte einmal mein Reich erben, Wenn aber ihr Tod das Land retten kann, so soll sie sterben. Es ist wohl ihre Pflicht, als die Letzte aus denn ältesten Geschlecht des Landes ihr Leben für ihr Volk hinzugeben.“
Da erhob sich der Älteste des Thing und fragte, ob dies der Wille aller sei. Keiner sprach, aber alle hoben sie die Hand. Sie taten es in großem Kummer, denn Gemdelovely wurde von allen geliebt. Darauf sprach des Königs Waffenmeister: „Wenn das Untier auch dann nicht das Land verläßt, nachdem es die Prinzessin verschlungen hat, so soll der Zauberer das nächste Opfer sein.“
Dem stimmten alle mit Beifallsrufen zu.Bevor der Spruch des Things verkündet wurde, bat der König um einen Aufschub von drei Tagen. Dies Wurde gewährt. Dann gab der Älteste den Spruch des Things bekannt. Leer König sandte Boten in alle Lande, um kundzutun, daß derjenige, dem es gelänge, den Lindwurm mit Waffengewalt oder List aus denn Lande zu bringen, Gemdelovely zur Frau bekäme. Obendrein solle er das Königreich erben und das Schwert Sicherbeißer, mit dem der große Oddie seine Feinde besiegt und ans andere Ende der Welt getrieben hatte.
Manch ein Fürst und großer Streiter hielt diesen dreifachen Preis wohl wert. Aber die Gefahr, die dem drohte, der diese drei gewinnen wollte, die wollte keiner auf sich nehmen. Und auch des Kühnsten Herr erstarrte vor Furcht. Als der Bauer von Leegarth vom Thing zurückkam mit der Kunde, daß die schöne Gemdelovely dem Untier vor geworfen werden sollte, hob ein großes Jammern und Klagen an, denn alle Menschen, außer der Königin, die ihre Stiefmutter war, liebten die Prinzessin. Aschenhans aber schwieg.Sechsunddreißig große Helden kamen zum Haus des Königs in der Hoffnung, den Preis zu gewinnen. Aber zwölf von ihnen fielen in Ohnmacht, als sie den Lindwurm erblickten, zwölf weitere waren so entsetzt, daß sie heim liefen in ihr eigenes Land. Zwölf schließlich blieben am Hofe des Königs, aber Herz und Mut waren ihnen tief gesunken.
Am Vorabend des Tages, an dem die Prinzessin geopfert werden sollte, gab der König für die zwölf Helden und seine Männer ein großes Mahl. Doch Trauer hatte alle er faßt, und so wurde wenig gegessen und noch weniger gesprochen. Wenn sie auch dem Wein zusprachen, so war doch keinem nach Scherzen zumute. Der König aber verbarg sein Antlitz vor ihnen. Als sich alle bis auf den König und seinen Waffenmeister zur Ruhe begeben hatten, öffnete der König seine große Truhe und nahm das Schwert Sicherbeißer in seine Hände. „Warum nehmt Ihr Sicherbeißer aus der Truhe?“ fragte der Waffenmeister, „morgen werden es vier mal zwanzig und sechzehn Jahre, daß Ihr in die Welt kamt, und manche heldenhafte Tat habt Ihr getan in dieser Zeit. Aber die Tage, da Ihr in den Kampf zogt, sind vorüber. Laßt Sicherbeißer ruhen, mein Herr und König. Ihr seid zu alt, seine Klinge jetzt noch zu schwingen.“ „Schweig! sprach der König, „oder ich werde meine Kraft an deinem Leibe versuchen. Glaubst du, daß ich, der ich von dem großen Oddie abstamme, ertragen könnte, daß mein einziges Kind von einem Ungeheuer verschlungen wird und ich keinen Streich wagte für mein eigen Fleisch und Blut? Ich sage dir, und ich schwöre es dir reit meinem Daunen kreuzweise auf Sicherbeißers Spitze : dieses gute Schwert und ich, wir werden untergehen, ehe meine Tochter stirbt. Und nun, mein treuer Waffenmeister, begib dich beim ersten Hahnenschrei eilends hinunter ans Meeresufer. Bringe mein Boot zu Wasser, richte den Mast auf, halte die Segel bereit und wende den Bug seewärts. Bewache es gut, bis ich komme. Dies wird der letzte Dienst sein, den du mir erweisen kannst. Schlafe nun wohl, mein alter Freund und Gefährte.“ Auch auf Leegarth traf man Vorbereitungen für den nächsten Tag, denn alle sollten hingehen am nächsten Morgen, den Tod Gemdelovelys mitanzusehen, alle, außer Aschenhans, der mußte zu Hause bleiben und die Gänse hüten. wie er nun in der Asche lag, bedrückten ihn so viele Gedanken, und es wollte kein Schlaf über ihn kommen. Da hörte er Vater und Mutter auf ihrem Lager miteinander sprechen. Er hörte, wie die Mutter sagte : „So wollt ihr also morgen alle hingehen und zusehen, wie die Prinzessin aufgefressen wird?“ „Ja, wahrhaftig, Frau und du sollst auch mitkommen. Du sollst hinter mir auf Teetang reiten, auf dem schnellsten Pferd im Lande, und keiner wird uns zuvorkommen.“ Da antwortete sinnend die Frau: „Ich habe manchmal gedacht, du liebst mich doch nicht so sehr, wie ein Mann seine Frau lieben soll.““Wie kannst du einen solchen Gedanken hegen“, rief der Mann, „habe ich jemals etwas getan oder gesagt, das dich glauben machen könnte, ich liebte dich nicht mehr als alle anderen Frauen auf Erden ?“ „Nicht, was du sagst, sondern was du nicht sagst, läßt mich an deiner Liebe zweifeln. Seit fünf Jahren schon habe ich dich wieder und wieder gebeten, mir zu sagen, wie du Teetong zu so schnellem Lauf antreibst, daß er jedes andere Pferd im Lande schlägt, aber ich könnte ebensogut den Stein in der Mauer fragen. Ist das ein Zeichen wahrer Liebe?“ Nun , liebes Weib“, antwortete der Mann, „wenn dich dies so sehr bedrückt, so will ich dir das Geheimnis verraten. Wenn ich will, da Teetong stillsteht, gebe ich ihm einen Schlag auf die linke Schulter, wenn ich will, daß er recht schnell geht, gebe ich ihm zwei Schläge auf die rechte Schulter, Soll er aber aus Leibeskräften rennen, dann blase ich durch die Luftröhre einer Gans. Ich habe stets ein solches Stück Drossel in meiner rechten Rocktasche, auf daß es notfalls zur Hand ist. Wenn Teetang meinen Pfiff hört, dann läuft er wie der Wind. So, nun weißt du alles. Laß uns noch ein wenig schlafen, denn es ist schon spät.“ Aschenhans aber hatte alles gehört. Er wartete, bis die Eltern eingeschlafen waren. Dann aber hielt es ihn nicht mehr auf seinem Lager. Er nahm die Gänsedrossel heimlich aus seines Vaters Rocktasche und schlich sich in den Stall. Dort zäumte er Teetang und führte ihn hinaus. Aschenhans schwang sich in den Sattel und gab dem Pferd zwei Schläge auf die rechte Schulter. Da schoß es wie ein Pfeil davon und wieherte dabei laut. Davon erwachte der Bauer. Er weckte eilends seine Söhne, und sie sch rangen sich auf ihre Pferde und galoppierten hinter Aschenhans und Teetong her, allen voran der Vater, und der rief. Halt, halt, he Teetore steh! Als Teetong diesen Ruf vernahm, blieb er stehen wie ein Fels. Doch Aschenhans setzte die Gänsedrossel an die Lippen und blies mit aller Macht darauf. Da schoß Teetong, davon wie der Wind, und der Vater und die Brüder hatten das Nachsehen. Bei Sonnenaufgang kahl Aschenhans zum Meeresufer. Er pflockte sein Pferd an und ging in eine kleine Hütte hinein, Dort nahm er ein brennendes Stück Torf aus dem 1-euer und gab es in einen alten Topf. Damit ging er an die Stelle, wo des Königs Boot an einem Stein vertäut war- Der Diener, der das Boot bewachen sollte, bis der König käme, zitterte vor Kälte, denn die Nacht war eisig gewesen. „Warum kommst du nicht an Land und läufst ein wenig umher, um dich aufzuwärmen?“ fagte ihn Aschenhans. „Der Waffenmeister- hat es mir verboten. ‚Wenn er mich nicht in, Boot findet, schlägt er weich halb tot..“ „Dein Waffenmeister ist ein weiser Mann“, sagte Aschenhans, ich aber will mir ein Feuer anzünden und Seeschnecken rösten.“
Er begann, ein Loch in den Boden zu schlagen, um darin das Feuer zu entfachen, irrt selben Augenblick aber rief er laut: Gold, Gold! So wahr ich der Sohn meiner Mutter bin, hier ist Gold in der Erde !“
Als der Mann im Boot das hörte, sprang; er an Land und stier Aschenhans zur Seite. Während er in dem Loch stocherte, packte Aschenhans seinen Topf, liste das Haltetau, sprang in das Boot und stieß es ab ins tiefe Wasser, der Mann am Strand mochte schreien, so laut er wollte. Als die
Sonne über die Berge heraufstieg, setzte Aschenhans seift Segel und steuerte geradewegs auf das Haupt des Lindwurms zu.
Das Scheusal lag vor ihm wie ein großer, hoher Berg. Seine Augen glühten und sprühten wie ein Leuchtfeuer. Sein Leib erstreckte sich über die halbe Welt. Seine furchtbare Zunge war Hunderte von Metern lang und konnte ganze Städte ins Meer fegen. Diese schreckliche Zunge war gespalten. Mit den beiden Spitzen konnte das Ungeheuer seine Beute packen, die größten Schiffe wie Eierschalen zerdrücken und die Mauern der größten Burgen Arie Nüsse zerknacken.
Aschenhans aber war ohne Furcht.
Währenddessen waren der König und seine Krieger zum Strand gekommen. Als der einig sein Boot weit draußen sah, geriet er in großen Zorn, Aschenhans fuhr von der Seite an den Kopf des Lindwurms heran, dann ließ er das Segel herunter und saß still da seit eingelegten Rudern und hing seinen Gedanken nach, Als der erste Sonnenstrahl die Augen des Ungeheuers traf, gähnte es. Es war das erste von sieben Malen, die der Lindwurm vor seinen grausigen Mahlzeiten zu gähnen pflegte. Jedesmal, wenn das Untier gähnte, schoß eine Wasserwoge in sein aufgesperrtes Maul hinein. Aschenhans ruderte so nahe wie möglich an des Lindwurms Maul heran, und beim nächsten Gähnen wurde wies Boot an der einwärts stürzenden Flutwelle mitgerissen und in den finsteren Schlund des Drachen hinunter
gespült. Weiter und weiter, tiefer und tiefer hinunter fuhr Aschenhans. Er steuerte sein Boot in der Mitte des Schlundes, bis das Wasser seichter wurde und der Mast sich mit
der Spitze oben an der Wandung verfing und der Kiel auf denn Grund festsaß.
Aschenhans sprang aus dem Boot. Er watete vorwärts, bis er zu der Leber des Ungeheuers kam. Er zog sein Messer
und schnitt ein Loch in die Leber und schob seinen glimmenden Torf in das Loch.. Er blies den Torf an, bis er dachte, seine Lippen müßten zerspringen. Der Torf flammte auf, und die Flamme ergriff das Fett der Leber. Ein gewaltiges Feuer entstand, Da lief Aschenhans zu seinem Boot zurück, und wie nun der Lindwurm die Hitze des Feuers spürte, fing er an, furchtbare Fluten aus seinem Magen zu speien. Eine von ihnen erfaßte das Boot, zerbrach den Mast und warf Boot und Mann heil und trocken an Land. Der König und seine Leute zogen sich auf einen hohen Hügel zurück, wo sie sicher waren vor den Fluten und vor den schrecklichen Feuer- und Rauchstößen, die das Ungeheuer von sich gab. Es war ein grauenvoller Anblick. Hinter den Flutwellen brachen aus dem Maul des Ungeheuers riesige Rauchwolken hervor, die waren schwarz wie Pech. Als das Feuer in ihn größer wurde, streckte es seine schreckliche Zunge heraus und schwang sie hin und her. Es umklammerte ein Horn des Mondes mit den gegabelten Enden, und als die Gabel ans Horn des Mondes abglitt und wieder herabstürzte, spaltete sie die Erde und schuf ein großes Stück Meer, wo vorher trockenes Land gewesen. Dieses Meer trennt noch heute Dänemark von Schweden und Norwegen. Am Ende dieses Meeres sind zwei große Meerbuchten, die von den beiden Spitzen der gegabelten Zunge des Lindwurms herrühren. Darauf zog der Lindwurm seine lange Zunge ein, und wie er sich nun wand und ringelte, bebte die ganze Erde. Schließlich zog er sich langsam zu einem riesengroßen Klumpen zusammen, und dabei peinigte ihn das Feuer in seinem Innern so sehr, daß er sein Haupt zu den WoIken aufwarf und es sogleich wieder ins Meer fallen ließ, Mit einer Gewalt, die die ganze Welt erschütterte.
Von der Wucht des Niederstürzens flogen ihm viele Zähne aus de m Maul, und diese bildeten die Orkneyinseln. Noch mehr Zähne spie das Untier ins Meer, und aus diesen wurden die Shetlandinseln. Und zum drittenmal schleuderte es Zähne aus seinem Maul, und aus diesen wurden die Färöerinseln. Danach rollte er sich zu einem mächtigen Koloss zusammen, und daraus entstand Island. Endlich hauchte der Urlindwurm sein Leben aus. Aber noch brennt das Feuer unter Island, und dieses Feuer ist es, das die feuerspeienden Berge der Insel speist. Da nahm der König Aschenhans in seine Arme, küßte und segnete ihn. Er legte ihm seinen eigenen Mantel um die Schultern und nahm Gemdelovelys Hand und legte sie in die seinige und gab sie zusammen als Mann und Frau. Und er gürtete Aschenhans mit dem Schwert Sicherbeißer. Aschenhans schwang sich auf Teetong und ritt an Gemdelovelys Seite. Als sie alle voller Freude zum Schloß geritten kamen, trat ihnen die Schwester von Aschenhans entgegen und flüsterte der Prinzessin etwas ins Ohr, und diese gab es an ihren Vater weiter. Da verfinsterte sich des Königs Antlitz, denn er hatte vernommen, daß die Königin den ganzen Morgen mit dem Zauberer gebuhlt habe,“Ich werde den Zauberer töten!“ rief der König aus, „Ach“, antwortete das Mädchen, „sie sind geflohen, auf den beiden besten Pferden sind sie hinweg geritten
„So schnell können sie nicht geritten sein, daß ich sie nicht einholen könnte“, sprach Aschenhans und sprengte auf Teetong davon wie der Wind. Bald hatte er das unselige Paar erreicht.
Der Zauberer aber höhnte: „Diesem Knäblein werde ich sogleich den Kopf abschlagen, denn er wußte wohl, daß sein Leib gefeit war gegen jedes gewöhnliche Eisen. Aschenhans aber zog das Schwert Sicherbeißer und stieß es denn falschen Unhold ins Herz, daß sein schwarzes Blut zu Boden rann.
Die Königin wurde bis zum Ende ihrer Tage in einen hohen Turm gesperrt. Aschenhans und Gendelovely
wurden miteinander vermählt, und sie feierten ein Hoch-
zeitsfest, das dauerte neun Wochen lang. Des Königs Skalde dichtete ein Langes Heldenlied, und die Hofsänger Stimmten einen neuen Gesang an, und dies war der Kehrreim
Der beste Stein im ganzen Land liegt über des Königs Tor. Er kam aus einem Aschenloch, dort lag er lang zuvor.
Später wurden Aschenhans und Gemdelovely König und Königin, und sie lebten lange in Glanz und Freude, und ihre Herrschaft war eine gesegnete.
[Märchen aus Schottland]