Traumdrache (Karin Roth)
Niemals hatte er das Licht der Sonne erblickt
und kein einziges Mal in seinem Leben wurde seine Dunkelheit durch einen Strahl von Helligkeit unterbrochen.
Er lebte sein Leben in Dunkelheit,
fernab aller Farben und fernab aller Schattierungen die unsere Welt zu geben hatte.
Doch er empfand es nie als Behinderung, kannte er doch nicht was sehende Menschen jeden Tag durch ihre Augen erblickten und wie sie ihre Welt erlebten.
Wieder einmal war der Streit mit seinen Eltern da,
die Besorgnis um sein Wohlergehen,
die Angst ihm könne etwas passieren,
die Furcht er käme niemals alleine zurecht.
An diesem Tage wollte er nicht mehr zuhören und begann alleine, in den ihm bis dahin unbekannten Wald, zu laufen.
Erleichtert weil er der gespannten Atmosphäre zu Hause entkommen war,
führten ihn seine Schritte den Geräuschen entgegen die er schon länger aus seinem Fenster im Dach hatte hören können.
Das Zirpen der Grillen hörte er,
er nahm wahr das Rauschen der Bäume um sich herum
und er hörte den sanften Gesang der Vögel andächtig zu.
Er fand einen kleinen Hügel auf dem er Platz nahm und so konnte er zuhören,
still und mit einem freudigem Lächeln in seinem jungen Gesicht.
Lange saß er da und überlegte wie er es anstellen konnte damit seine Eltern ihm endlich einmal ernsthaft Gehör schenken würden.
Hallo du, hörte er da eine sanfte Stimme sprechen:
Was überlegst du denn so angestrengt an einem so wunderschönen Tag wie heute?
Ach weißt du, antwortete er in Richtung der schönen Stimme,
ich habe Ärger zu Hause und weiß nicht wie ich ihn schlichten kann.
Möchtest du erzählen? fragte die Stimme wieder
und der Junge begann von sich und seinem Dilemma zu erzählen.
Als er dann geendet hatte, hörte er nur ein lautes Seufzen und die Stimme murmelte:
Was ist schon Augenlicht wert, wenn man nicht mit dem Herzen sehen kann.
Wie meinst du das denn fragte der Junge .
Weißt du sprach die sanfte Stimme weiter,
so viele Menschen können sehen,
haben die Gabe alles erblicken zu können was ihre Augen wahrnehmen können
und doch
sehen sie nicht wirklich,
sie sehen nur was sie sehen wollen
und die Augen die ihr Herz hat ,
bleiben auf immer geschlossen.
Ich verstehe dich nicht sprach der Junge,
wie sollte man mit dem Herzen sehen können?
So richte deinen Blick einmal auf mich sprach die Stimme
und erzähle mir was du sehen kannst.
Gerade als er erklären wollte das er doch blind sei und nichts sehen konnte,
machte er eine seltsame Wahrnehmung,
In dem Augenblick indem er seinen Kopf in Richtung der Stimme lenkte,
wurde es langsam und stetig hell und er vermeinte Farben zu erkennen.
Was ist das ?
rief er ängstlich aus, es blendet und ist so hell.
Was du siehst mein Junge, siehst du nicht mit deinen Augen,
was du im Augenblick erblickst,
siehst du mit deinem mutigen und träumenden Herzen das noch an Wunder glaubt.
In dem Moment wurde es hell ,
der Junge stand in einem gleißenden Licht und er erblickte was kein Auge vor ihm sah.
Er sah wundersame Farben die er nicht kannte,
er sah ein Funkeln das er nur aus Erzählungen kannte
und er sah eine riesige Gestalt die sich turmhoch über ihn erhob und ihn mit den sanftesten Augen anblickte,
die man sich nur in seinen Träumen vorstellen konnte.
Wer oder besser Was bist du fragte er erstaunt.
Ich bin Solus, sprach die Gestalt,
und ich bin der letzte der Traumdrachen, der noch auf dieser Welt wandelt.
Mich kann keines Menschen Auge erblicken,
nur sehende Herzen,
Herzen die noch an Wunder glauben und an Träume,
die können mich erblicken.
Lasse dich niemals beschränken sprach er weiter,
glaube an dich und an die Kraft deines Geistes,
glaube weiterhin an die Macht deiner Träume
auch wenn dein Auge blind bleibt,
so kannst du doch mit dem Herzen sehen
und bleibe deinen Überzeugungen immer treu,
egal was andere sagen.
Still hörte der Junge den Worten zu und nahm sie tief in sich auf
und je tiefer sie in ihm wirkten,
desto dunkler wurde es wieder um ihn herum
und die Farben die er sah verblassten langsam mit einem sanftem Klingen in seinem Gedanken.
Leise hörte er noch mal die Stimme zu ihm flüstern..
Glaube immer an dich,
sehe mit deinem Herzen
und du wirst eine neue wundersame Welt kennenlernen ,
die vielen sehenden verschlossen bleibt.
Mit Mut und Träumen, kannst du alles in deinem Leben erreichen.
Durch diese Erfahrung gestärkt,
machte er sich langsam auf den Weg nach Hause.
Niemals erzählte er jemanden von seinem Erlebnis
Doch er wuchs heran,
verlor niemals den Glauben an sich
und führte ein Erfülltes, Glückliches und Erfolgreiches Leben
in Frieden mit sich und seiner Welt.
Doch ab und zu,
sah er mit seinem Herzen
das gleißende Licht der Hoffnung und der Träume!
© Aquamarin 19.05.03