Anglistenalptraum – Rezension zu „Die Legende von Beowulf“
Dabei ist die Story ja durchaus noch erkennbar. Partylöwe König Hrothgar schmeißt ein Fest bei sich zuhause und feiert mit seinen Leuten so laut, dass er das Nachbarsmonster Grendel um den wohlverdienten Schlaf bringt, welches einen auf Spielverderber macht und die Party mit einem kleinen Gemetzel beendet. Um die nun offene Nachbarschaftsfehde zu beenden, bedarf es eines Helden – Stichwort für Beowulf, den krassesten Monsterchecker der Welt, der mit seinen Astrogauten über die See geschippert kommt, um den Kammerjäger zu spielen. Grendel möchte erneut die Böser-Hausmeister-Nummer abziehen, leiht aber stattdessen Beowulf ein Händchen, beziehungsweise seinen ganzen Arm und geht zu Mami heulen bzw. sterben. Deine Mutter sieht das gar nicht gerne und verarbeitet Beowulfs Mannen zu Räucherfleisch, woraufhin der Held vom Erdbeerfeld ihr einen Hausbesuch abstattet, um eine förmliche Beschwerde in Form mehrerer Schwerthiebe vorzubringen. Mutti verwandelt sich jedoch in die attraktivste Frau, die fünfzehn Jahrhunderte später auf Erden wandelt, was die Verwendung von Beowulfs anderem Schwert nötig macht. Der Beweis solcher Manneskraft reicht aus, um ihn zum König zu krönen und die Geschichte um mehrere Jahrzehnte vorzuspulen, wo Beowulf nur noch ein alter Sack ist. Dem kommt es da schon fast gelegen, dass sein außereheliches Schäferstündchen einen Sohn hervorgebracht hat. Da ja hier jeder macht, was er will, verwandelt sich der Wonneproppen kurzerhand in einen Drachen, der gerne Beowulfs Königreich niederbrennen und seine Frauen verschnabulieren würde. Also wird es Zeit, den Sohnemann mal richtig ans Herz zu nehmen und ganz fest zuzudrücken.
Na ja, so groß sind die Abwandlungen zum Heldenliedchen ja vielleicht doch nicht. Eigentlich reicht das ja, um (wie angekündigt) eine düstere und damit halbwegs akzeptable Fantasyverfilmung des Stoffes hervorzubringen. Dabei ist Herr Zemeckis ganz weit über das Ziel hinaus geschossen. Anscheinend untersteht er dem Wahn, er habe mit der Motion Capture-Technik aus "Der Polarexpress" ein neues Zeitalter des Kinos eingeläutet, dessen nächster Vorreiter jetzt "Beowulf" sein soll. Schließlich findet sich auch hier nichts Reales, sondern nur computeranimierte Figuren, die Persönlichkeiten wie Anthony Hopkins, John Malkovich oder Angelina Jolie erschreckend ähnlich sehen. Anscheinend ist es nur ein grandioser Fall von Selbstüberschätzung, wenn er seine Filme ab jetzt immer in diesem befremdlichen Stil dreht und meint, Prophet einer neuen Kinoära zu sein. Natürlich sieht es schick aus und so weiter, aber mal ehrlich: Was soll der Mist? So einen Look erwarte ich bei Computerspielen, aber nicht im Kino. Aber dann ist es ja auch offensichtlich, dass die Optik sehr auf einen 3D-Effekt getrimmt ist, den man in normalen Kinos nicht erleben kann – mit Spezialbrille sieht es also wahrscheinlich noch viel toller und so aus. In allererster Linie ist "Beowulf" jedenfalls eine Stilübung, die jedoch weniger Ästhetikcharakter besitzt wie bspw. das diesjährige "300", sondern einfach nur merkwürdig aussieht. Inhaltlich wird die ganze Sache noch viel merkwürdiger, denn kaum ein Film in letzter Zeit nahm sich gleichzeitig so bierernst und war so unglaublich trashig. Irgendwann kann man da nur noch kichern, spätestens, wenn Beowulf von einem riesigen Seemonster verschluckt wird, sich Sekunden später durch dessen großes Auge herausschneidet und von einer riesigen Blutfontäne begleitet laut "Ich bin Beowulf!" gen Kamera schreit, weil das jetzt einfach mal gesagt werden musste. Seiner Identität muss sich der Held noch häufiger während der Geschichte lautstark versichern – wahrscheinlich hat der so ’nen Kleinen, hi hi! Den sieht man leider nicht, auch wenn sich Beowulf vor seinem Kampf mit Grendel allen Ernstes splitternackt auszieht, was in zahlreichen Kameraeinstellungen resultiert, auf die selbst Austin Powers neidisch wäre. Auch wenn Beowulf keine einzige Gelegenheit auslässt, sich sein Hemd aufzureißen und sein Sixpack zu zeigen – 3D-Dick bleibt uns erspart. Dafür darf man später wenigstens ungehindert auf Angelina Jolies nackte Titten starren – 1:0 für die Männer!
Aber allen Schabernack beiseite nimmt sich "Beowulf" selbst tatsächlich total ernst. Wahrscheinlich versteht sich der Film als ernsthafte Interpretation des Gedichts, die selbst Elemente wie die damalige Christianisierung aufgreift. Da werden dann Grendel, Mami, der Drache und auch Beowulf zum Symbol für eine archaische Zeit voller Wunder, die sich im Zeichen des Kreuzes als Relikte der Vergangenheit sehen. Es wäre ja ach so melancholisch und Zeugs, wenn es nicht zwischendurch so völlig auf Overdrive schalten würde. Sorry, aber einen Film, in dem der Held drei Minuten lang in den Hals eines fliegenden Drachen greift, um dort dessen Herz zu zerquetschen, welches er vorher mit einem Dolch nicht erreichen konnte, kann ich einfach nicht so ernst nehmen, wie der es an anderer Stelle gerne hätte. Meine Erdkundekenntnisse mögen auch nicht die besten sein, aber 1000 Meter hohe Gebirge machen sich in Dänemark doch auch eigentlich eher rar? Man sollte das Kino also mit einer gehörigen Portion Humor betreten und über die Stellen, in denen langweilig ernsthafte Dialoge vorgetragen werden, einfach mal übersehen. Dann wird man durch lustige Actioneinlagen von tollkühnen Legenden ganz gut unterhalten. Oder man schaut sich zuhause nochmal "300" an – da heißt es dann nicht mehr "ICH BIN BEOWULF!", sondern "DAS IST SPARTA!" Kann man sich aussuchen, was man jetzt intelligenter findet.
Quelle: http://www.die-subkultur.net/Film.php?seite=beowulf
Nachtrag für alle Drachenfans: Wie bereits erwähnt, hat der Film einen durchaus schnuckligen, äh, grimmigen Lindwurm zu bieten, gegen den Beowulf im Finale schön lange kämpfen darf. Ein sehr fieses Viech, auch wenn die groß blinkende "Hier zustechen!"-Fläche am Hals schon fast zu sehr Computerspiel ist. Wenn man Drachen mag, ist es die Viertelstunde im Film vielleicht wert. Das, und Angelina Jolies Titten.