(Publius Ovidius Naso) Kadmus von Theben
Jupiter hatte bereits, die Gestalt ablegend des Stieres,
Sich der Europa bekannt, im Schoß diktäischer Felder,
Als die Geraubte zu forschen der Held Agenor dem Kadmus
Anbefahl, und Strafe, wo nicht er sie fände, hinzufügt,
Landesflucht: liebreich in der selbigen Handlung und lieblos.
Als er die Welt durchwandert, (denn wer mag finden, was heimlich
Jupiter hält?) jetzt meidend des Vaters Zorn und die Heimat,
Irret Agenors Sohn, und fragt am Orakel des Phöbus
Demutsvoll das Geschick, welch Land zu bewohnen vergönnt sei.
Eine Kuh wird dir im einsamen Felde begegnen,
Saget der Gott, die nimmer dem Joch und dem Pfluge gefrönet,
Eile der Führerin nach; und wo im Grase sie ausruht,
Gründe die Mauern daselbst; und Böotia nenne die Gegend.
Kaum stieg Kadmus herab von der Kluft des kastalischen Bornes,
Als er einhergehn sah die ungehütete Starke,
Ruhigen Gangs, kein Zeichen der Dienstbarkeit tragend am Nacken.
Jener folgt, und beachtet mit drängendem Schritte die Spuren;
Und er verehrt in der Stille des Wegs Urheber, den Phöbus.
Schon die Furt des Cephisus, und Panopes Auen durchging er;
Siehe, da steht die Kuh, und die breitgewölbete Stirne
Hebt sie mit hohem Gehörn, und brüllet empor zu dem Himmel.
Dann zum Geleit umschauend der nach ihr folgenden Männer,
Lagert sie sich, und streckt im sprießenden Grase die Glieder.
Kadmus erglühet von Dank, und küßt das fremde Gefilde,
Segnend die unbekannten Gebirg‘, und die Ebenen grüßend.
Opfern wollt‘ er dem Jupiter nun; und er sendet die Diener,
Daß sie aus lebendem Born ihm Flut zur Sprenge besorgen.
Dort war ein altender Forst, noch nie vom Beile verletzet.
Eine Höhl‘ in der Mitte, von Busch umwachsen und Weidicht,
Bildet‘ ein niedres Gewölbe mit rauh gefügeten Steinen,
Der stets reichliches Wasser entsprudelte. Drinnen gelagert
War ein Drache des Mars, mit Kamm vorstrahlend und Golde,
Zuckendes Feuer im Aug‘, und der Leib vom Gifte geschwollen,
Mit dreispaltiger Zung‘, und dreifach stehenden Zähnen.
Aber nachdem das Gehölz die wandelnden Männer von Tyrus
Im unseligen Gange berührt, und die Urn‘ in das Wasser
Niedergesenkt auftönte; da streckt‘ aus dem langen Geklüft her
Bläulich der Drache das Haupt, und erhob ein entsetzliches Zischen.
Schnell entsanken die Urnen der Hand, und das Blut aus dem Antlitz
Floh, und in plötzlicher Angst erzitterten allen die Glieder.
Jener rollt in behenden Verschlingungen schuppige Ringel
Schlüpfrig, und wölbt sich empor in unermeßliche Bogen;
Und bis über die Hälfte zur wehenden Luft sich erhebend,
Blickt er herab auf den Wald: so groß am Leibe, wie groß er,
Wenn du ihn ganz anschaust, der die Bärinnen beide durchschlängelt.
Ohne Verzug, die Phöniker (ob jene zur Wehr sich bereitet,
Oder zur Flucht; ob selber die Angst sie an beidem gehindert)
Haschet er, diese mit Biß, mit langen Umwindungen jene;
Andre betäubt sein Schlund mit der Pest des vergifteten Hauches.
Schon verkürzte die Sonn‘ aus der Mittagshöhe die Schatten.
Kadmus, verwunderungsvoll, was doch die Genossen verweile,
Späht die getretene Spur. Als Hülle bedeckt ihn des Löwen
Zottige Haut; und die Lanze mit blinkendem Stahl und der Wurfspieß
Sind ihm Gewehr, und ein Mut, der mehr als alles Gewehr ist.
Als er, zum Wald eingehend, nunmehr die gemordeten Leiber
Sah, und den siegenden Feind mit gedehnetem Rücken darüber,
Wie er mit blutiger Zunge die traurigen Wunden umleckte:
Rächer will ich entweder, ihr Trautesten, eueres Todes
Oder Begleiter euch sein! So rief er, und hob in der Rechten
Einen Fels, und den großen mit großer Beeiferung schwang er.
Selbst die gewaltige Mauer mit hochaufragenden Türmen
Hätte gebebt vor dem Sturz: doch das Untier blieb unbeschädigt;
Und von den Schuppen gedeckt, und der Härte des dunkelen Balges,
Trieb es, wie unter dem Panzer, den prallenden Wurf von der Haut ab.
Nicht mit derselbigen Härte besiegt auch der Drache den Wurfspieß,
Welcher, gerad in die Krümmung geschnellt des geschmeidigen Rückgrats
Haftete, ganz mit dem Stahle hinab in die Weichen sich tauchend.
Jener ergrimmte vor Schmerz, und das Haupt auf den Rücken gedrehet,
Schaut‘ er die Wund‘, und nagt an dem Schaft des gehefteten Spießes;
Und nachdem er umher mit großer Gewalt ihn gerüttelt,
Riß er ihn kaum aus dem Rücken; doch bleibt ihm der Stahl im Gebeine.
Aber da nun zum gewöhnlichen Zorn sich die frische Verwundung
Fügete, schwoll ihm die Kehle von dick aufstrotzenden Adern;
Und ein weißlicher Schaum umfließt den verpesteten Rachen;
Rasselnd ertönt von den Schuppen das Land; und des stygischen Schlundes
Schwarz ausdampfender Hauch vergiftet die Luft mit Betäubung.
Bald nunmehr in Geringel von unermeßlichem Umfang
Rollt er sich ein; halb bäumt er empor, wie ein ragender Balken;
Bald im unendlichen Schwung, wie gedrängt vom Regen ein Sturzbach,
Stürmt er, und malmt mit der Brust die begegnenden Waldungen nieder.
Kadmus weicht ein wenig zurück; mit der Hülle des Löwen
Hält er den Anfall auf, und weit vorstreckend die Spitze,
Hemmt er das nahende Haupt. Doch der Tobende knirscht an dem harten
Stahle mit eitelem Biß, und stümpfet die Zähn‘ an der Schärfe.
Schon zu fließen begann aus dem giftigen Gaumen des Scheusals
Rotes Blut, und färbte das grünende Kraut mit Bespritzung.
Aber die Wunde war leicht, weil jener zurück vor dem Stoße
Zuckt‘, und den Hals der Verletzung entzog; ausweichend verwehrt‘ er
Festzusitzen dem Streich, und ließ nicht weiter ihn fortgehn;
Bis der Agenoride den Stahl, in die Kehle geschwungen,
Tief nachdrängend verfolgte; den rückwärts schlängelnden hemmte
Jetzo die Eich‘, und durchbohrt ward samt dem Holze der Nacken.
Krumm nun bog sich der Baum an der Last des sträubenden Untiers,
Und ihm erseufzte der Stamm, von dem äußersten Schwanze gegeißelt.
Während der Sieger den Raum des besiegeten Feindes betrachtet,
Plötzlich ruft ihm die Stimm‘, und nicht von wannen erkennt er;
Aber sie ruft: Was stehst du, Agenors Sohn, den erlegten
Drachen zu schaun? Bald wird man dich selbst anschauen als Drachen.
Ihm, dem Zagenden, schwand mit der Farbe zugleich die Besinnung
Lang‘, und ihm sträubte das Haar vor schauderndem Schrecken sich aufwärts.
Siehe, da nahete Pallas, des Manns Schutzgöttin, vom Himmel
Niedergesenkt; und sie heißt in aufgerüttetes Erdreich
Streuen die Natternzähne zum Anwachs künftigen Volkes.
Jener gehorcht; und die Erde mit drängendem Pfluge sich öffnend,
Streuet er Menschensaat, die befohlenen Zähn‘, in die Furchen.
Jetzo (wer glaubt so Großes?) begann sich zu regen die Scholle;
Und zuerst aus den Furchen erschien die Spitze der Lanze.
Bald auch gehelmete Häupter, umnickt von farbigen Büschen;
Bald auch Schulter und Brust, und mit Wehr belastete Arme,
Streben empor; und es wächst der geschilderten Saatlinge Heerschar.
Also, wann sich erhebt dem Festtheater der Vorhang,
Steigen die Bilder empor, und enthüllen zuerst die Gesichter,
Dann allmählich den Leib; und in sanftem Zuge gerichtet,
Stehen sie ganz, und setzen den Fuß auf die untre Verbrämung.
Kadmus, geschreckt vom befremdenden Feind, will Waffen ergreifen:
Waffne dich nicht! ruft einer des Volks, das die Erde hervortrug;
Waffne dich nicht, und meid‘ in den heimischen Krieg dich zu mischen!
Und so hauet er einen der erdgeborenen Brüder
Nahe mit starrendem Schwert; selbst tötet ihn ferne der Wurfspieß.
Dieser auch, welcher den Tod ihm sendete, lebet nicht länger,
Als er selbst, und verhaucht die eben empfangenen Lüfte.
Ähnliche Wut erfüllt die Saatlinge rings, und in eigner
Mordlust fallen sofort durch Wechselwunden die Brüder.
Schon die sämtliche Jugend, die kurz zu leben bestimmt war,
Schlug mit zappelnder Brust den blutigen Boden der Mutter;
Fünf nur atmeten noch; davon war einer Echion.
Dieser streckte zur Erde die Wehr auf den Rat der Tritonis,
Friedlichen Bruderverein verlangend zugleich und gewährend.
Sie nun wurden Genossen des Werks dem sidonischen Fremdling,
Als er die thebische Burg aufbauete, nach dem Orakel.