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Der versteinernde Blick
In der Mythologie finden sich vornehmlich zwei Legenden, die von Versteinerungen durch den puren Anblick eines Wesens berichten, die Gorgonen und die Basilisken.
Der griechischen Mythologie entstammen die Gorgonen Stheno, Euryale und Medusa. Die bekannteste Gorgo ist wohl zweifelsohne die sterbliche Medusa, denn einst war die Tochter der Keto und des Phorkys eine schöne Frau. Als Pallas Athene Medusa jedoch bei ihrer Liebschaft mit Poseidon überraschte, erzürnte sie und gab ihr die Gestalt ihrer Schwestern. Fortan erschien sie als geflügeltes Ungeheuer mit Schlangenhaaren, langen Eckzähnen, einem Schuppenpanzer, glühenden Augen und gespaltener Zunge. Der gräßliche Anblick der Medusa ließ jeden zu Stein erstarren. Nur Perseus, dem Sohn des Zeus und der Danae gelang es mit einer List die Medusa zu enthaupten.
Der Basilisk gilt als der König der Schlangen und wird in Büchern meist als Hybride mit dem Oberkörper eines Hahns und dem Unterleib einer Schlange dargestellt.Auf dem Kopf trägt der "kleine König" eine Krone. Sein Blick versteinert oder tötet. Sein Atem ist tödlich giftig. Im Mittlealter wurde diese Beschreibung noch erweitert, so dass man seitdem gemeinhin annimmt, dass der Basilisk aus dem Ei eines alten Hahnes oder aus einem dotterlosen Hühnerei schlüpfe, welches von einer Kröte, einer Schlange oder im Mist ausgebrütet wird. Sein stinkender Atem ist unerträglich und sein Blick soll versteinern können.
Erstmals schriftlich erwähnt wird der Basilisk von Plinius dem Älteren in seinem Buch Naturalis Historia.
"Durch sein Zischen verjagt er alle Schlangen und bewegt nicht, wie die anderen, seinen Körper durch vielfache Windungen, sondern geht stolz und halb aufgerichtet einher. Er lässt die Sträucher absterben, nicht nur durch die Berührung, sondern auch schon durch den Anhauch, versengt die Kräuter und sprengt Steine: eine solche Stärke hat dieses Untier. Man glaubte, dass jemand ihn einst zu Pferde mit einem Speer erlegt habe und dass das wirkende Gift an diesem emporstieg und nicht nur dem Reiter, sondern auch dem Pferd den Tod brachte. Und dieses gewaltige Ungeheuer – denn häufig haben Könige es tot zu sehen gewünscht – wird durch die Ausdünstung des Wiesels umgebracht: so sehr gefiel es der Natur, nichts ohne etwas Gegenkraft zu lassen. Man wirft die Wiesel in die Höhlen [der Basilisken], die man leicht an dem ausgedörrten Boden erkennt. Diese töten durch ihren Geruch, sterben aber zugleich selbst, und der Streit der Natur ist bereinigt."
Wendet man sich nun dem versteindernden Blick zu und lässt die Option auf "Magie" außer Acht, so kann man selbst mit viel Fantasie keine Begründung finden warum sich ein Lebewesen in Stein verwandeln sollte. In der Natur gibt es jedoch durchaus ähnliche Phänomene zu beobachten, nämlich die Hypnose, Paralyse oder die Schreckstarre.
Allerdings sollte man die Hypnose oder das versetzen in einen tranceähnlichen Zustand aus den Beobachtung auslassen. Zwar gibt es die sogenannte Blitzinduktion, die eine leichte Trance innerhalb weniger Sekunden induzieren kann, aber eine hohe Erwartungshaltung des Hypnotisanden und ein Überraschungsmoment benötigen. Obwohl der Überraschungsmoment zweifelsohne gegeben ist, wird es selbst dem besten Hypnotiseur nicht gelingen einen Menschen gegen seinen Willen zu hypnotisieren, sondern diesen nur unterstützen, sich selbst in Trance zu versetzen. Auch Reptilien können ihre Beute nicht hypnotisieren. Dieser Irrglaube liegt in den großen lidlosen Augen begründet. Somit scheidet die Hypnose als Ursache für den "versteindernden Blick" aus.
Unter der Paralyse oder Plegie versteht man eine teilweise oder vollständige Lähmung der Skelettmuskeln. Diese entstehen meist durch Nervenschädigungen wie sie bspw. bei deren Zerstörung oder der Anwendung von Giften auftreten können. Schlangen haben dieses Prinzip zur Jagd perfektioniert. Ihr Biss und das damit eingeführte Gift kann das zentrale Nervensystem ihrer Opfer derart schädigen, dass diese paralysiert sind. Wird das Gift hingegen ausgespiehen, so geschieht dies meist nur zur Verteidigung und führt bei den Opfern meistens zur Erblindung, da das Gift sehr treffsicher auch über größere Entfernungen in Richtng der Augen verschossen werden kann.
Die Schreckstarre ist die meiner Meinung nach die wahrscheinlichste Herkunft des versteindernden Blickes, denn es handelt sich um das verhaltensbiologische Phänomen eines Zustandes völliger Bewegungsunfähigkeit die eintreten kann, wenn ein Tier von einem Fressfeind bedroht wird oder einer extremen Stresssituation ohne erkennbaren Ausweg konfrontiert wird. Da viele Fressfeinde ihre Beute primär durch deren Bewegung erkennen können ist dieses Verhalten ein biologisch zweckmäßiger Reflex und als Instinkt auch beim Menschen zu beobachten. Menschen die in eine solche Situation geraten sind könnten später davon berichtet haben, dass sie sich in Gegenwart eines Basilisken nicht bewegen konnten, sie waren förmlich wie versteinert und nährten somit den Mythose des "versteinernden Blicks".